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Essen: Ein soziales Geschehen mit negativen
Konsequenzen für Männer
Im Fokus der Öffentlichkeit neigen Männer dazu, deutlich mehr zu essen als üblicherweise. Schuld daran ist wohl das unbewusste Bedürfnis, die eigene Stärke und Männlichkeit unter Beweis zu stellen, wie eine aktuelle Studie ergab.
Das Ziel von Assistenzprofessor Kevin Kniffin von der Cornell-Universität in Ithaca (USA) bestand darin, die Natur des Essens in Wettbewerbssituationen zu erforschen und daraus Implikationen für andere soziale Essenssituationen abzuleiten. Kniffin und sein Kollege Prof. Brian Wansink, Direktor des Lebensmittel- und Markenlabors an der Cornell-Universität, ersannen hierfür ein Experiment mit jungen Erwachsenen als Hauptakteuren. Kern des Experiments war ein gemeinsames Essen von Chicken Wings mit variierendem Kontext.
Zu Beginn der Studie wurden 24 Studentinnen und Studenten angeworben, deren Body Mass Index (Körpermassenindex, kurz BMI) zwischen 22,5 und 27,5 kg/m2 (also im Bereich Normalgewicht bis leichtes Übergewicht) lag und die in den vergangenen drei Monaten mindestens dreimal Chicken Wings verzehrt hatten. Die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die dann tatsächlich an der Studie teilnahmen, wurden nach dem Zufallsprinzip in Vierergruppen eingeteilt, unter der Bedingung, dass jede Gruppe aus zwei Frauen und zwei Männern bestand.
Alle Probanden hatten im Vorfeld normal gefrühstückt und durften nun innerhalb ihrer Gruppe zum Mittagessen so viele Chicken Wings mit Pommes frites und Krautsalat verzehren, wie sie wollten, wobei die Zeit auf 30 Minuten begrenzt wurde. Während die Kontrollgruppe keine weitere Instruktionen erhielt, wurde den Teilnehmern der beiden Interventionsgruppen erzählt, dass sie an einem Wettbewerb teilnehmen würden, in dem es darum ging, möglichst viele Chicken Wings zu essen. Bei einer der beiden Gruppen waren zusätzlich 12 Zuschauer anwesend, die die Teilnehmer anfeuerten. Als Preis für die Gewinner winkte eine offensichtlich wertlose Plastikmedaille. Anschließend wurde für jede Probandin beziehungsweise jeden Probanden separat gezählt, wie viele Chicken Wings sie/er gegessen hatte und auf Gruppenebene der Beilagenverzehr erhoben. Letzterer wurde allerdings nicht weiter untersucht.
Der Vergleich des Chicken Wings-Verzehrs zwischen den drei Studiensträngen zeigte, dass Probanden in der Wettbewerbssituation viermal mehr Chicken Wings aßen als unter Normalbedingungen. Waren zusätzlich Zuschauer anwesend, aßen die Männer 30 Prozent mehr Chicken Wings als Männer der zuschauerlosen Wettbewerbsgruppe. Dagegen ging der Konsum der Frauen unter Zuschauereinfluss um ein Drittel zurück. Männer beider Interventionsgruppen beschrieben die Wettbewerbssituation als herausfordernd, cool und spannend, während die Situation für Frauen eher negativ war: Sie fühlten sich gehemmt und fanden den Wettbewerb etwas peinlich.
Um mehr über das gesellschaftliche Ansehen von Wettbewerbsessen zu erfahren, wurden zusätzlich zu dem oben beschriebenen Experiment 93 Studentinnen und Studenten gebeten, männliche und weibliche kompetitive Esser in Bezug auf das Zutreffen bestimmter Charakteristika (Attraktivität, Intelligenz, Romantik, Gesundheit, Stärke) einzustufen. Hier zeigten sich deutliche Geschlechtsunterschiede: Im Unterschied zu den befragten Frauen gingen die befragten Männer davon aus, dass Frauen, die sich beim Essen mit anderen maßen, weniger romantisch und attraktiv sind. Kompetitives Essen bei Männern wurde von den Männern mit Stärke assoziiert.
„Auch wenn Männer nicht darüber nachdenken, wird es tendenziell als Zeichen von Männlichkeit und Stärke verstanden, wenn man(n) mehr isst als sein Freund“, fasst Assistenzprofessor Kevin Kniffin die Studienergebnisse zusammen. Ein Durchbrechen der gesellschaftlichen Norm ist schwer. Kniffins Kollege Prof. Brian Wansink schlägt vor, sich bei gesellschaftlichen Essen mehr auf die Freunde als auf das Essen zu konzentrieren. „Wenn Sie beweisen möchten, wie sehr Sie ‚Macho‘ sind, fordern Sie Ihren Freund zu einem gesunden Armdrücken heraus anstatt ihn im Essen zu schlagen.“ Ein Ratschlag, der wohl eher auf die jüngere Generation und private Anlässe abzielt …
Dr. oec. troph. Christina Bächle, 22. Dezember 2016