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Nährwertangaben: immer beliebter, aber vielfach missverstanden
Im Wettbewerb um Konsumenten nutzen Lebensmittelhersteller gezielt freiwillige Nährwertangaben auf der Verpackungsvorderseite. Kurioserweise verkaufen sich insbesondere die aus ernährungsphysiologischer Sicht ungünstigeren Lebensmittel mit Nährwertangabe besser. Denn viele Verbraucher achten nicht auf den feinen Unterschied.An der Universität von Göttingen werteten Wissenschaftler Daten zum Lebensmitteleinkauf in über 1.500 britischen Supermärkten über einen zweijährigen Zeitraum aus. In diese Zeit fiel auch die Einführung freiwilliger Nährwertangaben auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen. Im Gegensatz zu den bald gesetzlich vorgeschriebenen Nährwertangaben auf der Rückseite der Packung können die Hersteller hier die Portionsgröße, auf die sich die Nährwertangaben beziehen, nach ihrem Gusto beliebig wählen. Was liegt da näher, als bei ernährungsphysiologisch ungünstigeren Produkten die Portionsgröße möglichst klein zu halten, um die Wettbewerbsfähigkeit eines Lebensmittels zu erhöhen?! Und: Wie reagieren die Käufer auf die Schummelei?
Dies untersuchten die Wissenschaftler um Dr. Ossama Elshiewy. Für ihre Auswertung nutzten sie die Verkaufszahlen von insgesamt 61 gesunden und ungesunden Lebensmitteln, darunter Joghurts und Kekse. Sie stellten fest, dass das Absatzvolumen eines Lebensmittels nach der Einführung der freiwilligen Nährwertangaben auf der Verpackungsvorderseite umso stärker anstieg, je geringer die zugrunde gelegte Portionsgröße der Nährwertangaben war. „Viele Konsumenten bewerten ein Produkt offenbar ausschließlich nach der angegebenen Kalorienzahl oder anderen Nährwerten und ignorieren dabei die Vergleichsbasis pro Portion„, folgert Dr. Ossama Elshiewy. Demnach dienen diese Nährwertangaben weniger der Aufklärung der Verbraucher, sondern vielmehr der Produktvermarktung, so die Wissenschaftler.
Ein genauerer Blick auf die Lebensmittel offenbarte außerdem, dass bei tendenziell ernährungsphysiologisch ungünstigeren Lebensmitteln kleinere Portionsgrößen gewählt wurden. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass kleinere Portionsangaben die Verbraucher, die Nährwertinformationen als Richtlinie nutzen, in die Irre führen können und somit für diese Gruppe eine Gefahr in Bezug auf ihre Ernährungsgewohnheiten darstellen„, warnt Dr. Elshiewy. Gemeinsam mit seinen Kollegen fordert er eine Standardisierung der Portionsgrößen. Einstweilen bleibt dem kritischen Verbraucher nur der Blick auf die Rückseite der Verpackung. Auch wenn die gesetzliche Regelung erst Ende 2016 in Kraft tritt, befinden sich hier bereits bei vielen Produkten Nährwerttabellen mit Angaben pro 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter eines Lebensmittels, die so einen direkten Vergleich ermöglichen.
Dr. oec. troph. Christina Bächle, 3. Mai 2016
Quelle:Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit