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Warum langsames Essen beim Abnehmen hilft
Auf der Suche nach hilfreichen Strategien zur Gewichtsreduktion verglichen Prof. Christoph Beglinger und sein Forscherteam am Universitätsspital in Basel Völlegefühl und Essverhalten von Menschen mit Normalgewicht und Übergewicht. Ihre Beobachtung klingt paradox: Menschen mit Übergewicht sind schneller satt als Normalgewichtige. Wieso sind sie dennoch übergewichtig? Die Zeit macht’s …Im Rahmen einer Studie wurden jeweils zwanzig Probanden mit Normalgewicht (mittlerer BMI 22,2 kg/m2) oder starkem Übergewicht (mittlerer BMI 38,9 kg/m2) gebeten ihr Frühstück in Form eines fertig zubereiteten Getränks zu sich zu nehmen. Die Probanden konnten selbst entscheiden, wie schnell und wie viel sie von der Standardtrinknahrung zu sich nehmen wollten. Die Trinknahrung bestand zu 17 Prozent aus Protein, 29 Prozent aus Fett und 54 Prozent aus Kohlenhydraten, 100 Milliliter versorgten den Körper mit 150 Kalorien.
„Schon 100 tägliche Kilokalorien über der empfohlenen Menge können zur Gewichtszunahme führen“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Artikel, der kürzlich in der Zeitschrift „Physiology & Behavior“ erschienen ist. „Deshalb ist das hohe Esstempo ein Faktor, der möglicherweise zum Übergewicht beiträgt.”
Während ihrer Trinkmahlzeiten kreuzten die Teilnehmer im Abstand von drei Minuten auf einer Skala an, wie satt sie sich inzwischen fühlten. Der Versuch endete, sobald der Maximalwert erreicht wurde. Bei den Probanden mit starkem Übergewicht war dies im Mittel bereits nach 10 Minuten der Fall, während sich bei den Probanden mit Normalgewicht das Völlegefühl erst dreieinhalb Minuten später einstellte. Die Auswertung der Trinkmenge und damit der aufgenommenen Kalorien zeichnete dagegen ein anderes Bild: Pro Minute nahmen die übergewichtigen Probanden im Durchschnitt 57,5 Milliliter der Trinknahrung und damit 85 Kalorien zu sich, während die normalgewichtigen Probanden lediglich 33,5 Milliliter des Getränks (entsprechend 50 Kalorien pro Minute) aufnahmen. Unterm Strich konsumierten die Probanden mit Übergewicht damit ca. 140 Kalorien mehr, bis sie satt waren.
In weiteren Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass die Magenentleerung bei Probanden mit Übergewicht verzögert war, wodurch die Plasmaspiegel der sättigend wirkenden Hormone GLP-1 und PYY vermindert waren. Zugleich war die Plasmakonzentration des Appetit anregenden Hormons Ghrelin bei Probanden mit Übergewicht erhöht. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass aufgrund der verzögerten Magenentleerungsrate Sättigungssignale erst ausgesendet werden, wenn der Magen schon stärker gefüllt ist, und die Übergewichtigen damit mehr Nahrung zur Sättigung benötigen als Menschen mit Normalgewicht.
Dies ist weiterer Beleg dafür, dass nicht nur die Nahrungsmittelauswahl, sondern auch dass Esstempo mit dem Körpergewicht zusammenhängen. Ähnlich wie andere Gewohnheiten lässt sich wohl auch das Esstempo nur mühsam und mit viel Ausdauer drosseln. Hilfsmittel, wie eine vibrierende Gabel, könnten insbesondere Singles bei der Umstellung helfen. Und nach wie vor gilt: Für eine ausgewogene Energiebilanz ist regelmäßige körperliche Aktivität unverzichtbar.
Quelle: A. C. Meyer-Gerspach, B.Wölnerhanssen, B. Beglinger, F. Nessenius, M. Napitupulu, F. H. Schulte, R. E. Steinert, C. Beglinger (2014): Gastric and intestinal satiation in obese and normal weight healthy people. Physiology & Behavior 129: S. 266-271
Christina Bächle, 16. Mai 2014